Eine Betrachtung von Fritz Nöpel
Die ersten Fragen der Eltern zum Training lauten häufig: "Werden die Kinder nicht zum
Schlagen erzogen?" -und "Ist das nicht alles aggressiv?".
Schaut man sich das Kinder Training des Karate-Do einmal an, beantwortet sich so manche
Frage von selbst. Karate-Do ist ein Weg, zu sich selbst zu finden. Dazu gehört die
Offenheit, mit nichts als nur sich selbst anzufangen. Dies ist eine Gabe, wie sie gerade
die Kinder -über deren egozentrisches Weltbild sich manche Eltern erregen- völlig
natürlich vorhanden ist.
Erwachsene verstecken sich gerne hinter beruflichen Verpflichtungen, sonstigen
Sachzwängen, Weltanschauungen, und sogar Krankheiten. Wie soll da den Kindern eine
lebenswerte Welt - eine Ahnung vom gelungenen Menschsein -vermittelt werden?
Do bezeichnet ein Prinzip der asiatischen Weltanschauung und stammt als Begriff aus
dem japanischen Zen-Buddhismus. Übersetzt lautet der Begriff Weg, Pfad, Grundsatz,
Richtung, Prinzip etc. Do ist ein Weg, in dessen Zentrum ein Übung steht, deren Ziel
jedoch nicht das Erlernen irgendeiner Fertigkeit, sondern das Erweitern des
grundsätzlichen menschlichen Potentials ist und durch das das Leben mit Bewusstsein
und Erkenntnis erfüllt werden kann. In Asien ist Do das zentrale Prinzip jeder Übung.
Als Prinzip ist Do nicht etwas ausschliesslich japanisches, sondern ein allgemein
menschliches Anliegen, und diese Tendenz ist allen Kulturen auf der Erde bekannt.
Kinder gehen sehr gerne einen Weg mit, wenn es spannend zugeht und etwas zu entdecken
gibt.
Der Weg des Karate-Do lässt sie ihren Körper und ihre Sinne neu und reicher entdecken.
Muskeln, die vorher nur faul und träge mitmachten, werden allmählich aktiviert.
Aus Entspannung wird plötzlich Spannung, aus Ruhe Dynamik. Muskelgruppen spielen zusammen,
Kombinationen werden eingeübt, in schlafwandlerischer Sicherheit finden die Hände und
Füsse ihr Ziel, während Augen und Ohren hellwach sich selbst, den/die Gegner (Partner)
und die Umgebung kontrollieren. Rhytmisch begleitet die Atmung zunächst bewusst, später
wie von selbst, jede einzelne Bewegung.
Kinder lernen Karate-Do spielerisch, ihre Bewegungsfreude und Phantasie sprechen spontan
auf die Grundweisen an, deren Lehrmeister wohl ursprünglich die Natur war. Das einzelne
Kind gewinnt neues Vertrauen in seine eigene Fähigkeiten. Es wird wachsamer,
konzentrierter, es wagt sich offen in den Vergleich mit anderen, aggressions- weil
angstfrei. Das bessere Selbstwertgefühl führt zum behutsameren Umgang mit "Rivalen".
Das Kind lernt seine Feinmotorik zu koordinieren. Die natürliche Aggressivität wird
nicht zerstörerisch ausgetobt oder meist noch schlimmer unterdrückt, sondern kanalisiert,
dass sie ihm dienbar wird, sich selbst in der Gewalt zu haben.
Wesentlich für dieses Können ist das Erleben der Verantwortung und die Achtung vor dem
Gegner, der mit aufgenommen ist in eine gemeinsame Welt, in der die Fähigkeiten jedes
Einzelnen gefördert und seine Individualität respektiert wird.
Karate beginnt und endet mit Respekt -deshalb der Gruss mit Verbeugung vor dem Gegner,
vor und nach jedem Karate-Do Training. Die Etikette stellt die Verbindung zur Geschichte
und Tradition dar, die Verbundenheit mit der Geschichte bedeutet Kontinuität. In unseren
Dojos wird dieses auch den Kindern vermittelt.
Eine wesentliche Vorraussetzung für die Entwicklung des Kindes ist die Persönlichkeit des
Karate-Do-Meisters (Lehrer = Sensai).
Seine Verantwortung liegt nicht nur in der Berücksichtigung der kindlichen Pysis, sondern
in der Vermittlung, dass Karate-Do über den Kampf hinaus ein Lebensmodell für den Menschen
ist.
Unsere Forderung besteht sein langen Jahren: Karate-Do soll Bestandteil des Schulsportes
werden. Einige vielversprechende Versuche hat es bereits in Deutschland gegeben.
Das vielversprechende Ergebnis: Die durch Aggression unter den Schülern entstandenen
Konfrontationen gingen spürbar zurück.
Die Erfahrungen der Letzten Jahrzehnte zeigen, dass das Karate-Do nicht "auch für Kinder"
sondern gerade für diese geeignet ist.
|